Bei den Verhandlungen über eine Neuauflage der großen Koalition überschlagen sich aktuell die Ereignisse. Nachdem CDU und CSU die Koalitionsvereinbarung erst kürzlich mit großer Mehrheit abgesegnet hatten, stoppte die SPD nun überraschend das eigene Mitgliedervotum zur künftigen Regierungsbeteiligung. Der kommissarische Parteivorsitzende Olaf Scholz erklärte, man habe sich alles jetzt noch einmal genauer überlegt und der mit der Union ausgehandelte Vertrag sei in der vorliegenden Form nun doch nicht zustimmungsfähig. Vielmehr sei die SPD zu einer Fortsetzung der GroKo nur noch unter der Voraussetzung bereit, dass Angela Merkel keine erneute Kanzlerschaft antritt. Stattdessen solle eine neutrale Persönlichkeit, die keiner der drei Koalitionsparteien angehört, den Regierungsvorsitz übernehmen. Allein hierdurch könne nach außen hin transportiert werden, dass die SPD eine gleichberechtigte Rolle innerhalb der Koalition einnehme und nicht lediglich als Mehrheitsbeschafferin für die Union fungiere. Als konkreten Kandidaten benannte Scholz hierbei Serdar Somuncu, der bei den vergangenen Bundestagswahlen als Kanzlerkandidat der Partei Die PARTEI ins Rennen gegangen war.
Die Wahl der SPD-Führung fiel hierbei primär aus pragmatischen Gründen auf Somuncu. Die PARTEI erreichte bei der Wahl im September 1,0% der Zweitstimmen und wurde somit gemeinsam mit den Freien Wählern stärkste Kraft innerhalb der außerparlamentarischen Opposition. Da die Freien Wähler jedoch auf eine eigene Kanzlerkandidatur verzichteten, erschien die Entscheidung für den 49-Jährigen fair und folgerichtig. Zudem wird auch die inhaltliche Ausrichtung Somuncus und der PARTEI als verbindendes und harmoniestiftendes Element für eine zukünftige Zusammenarbeit in der GroKo erachtet. Scholz teilte hierzu mit:
„Die PARTEI ist für uns die einzige Gruppierung außerhalb des Bundestages, die noch Politik mit gesundem Augenmaß betreibt. Ihre Visionen verbinden immer den Wunsch nach echter Innovation mit dem Aspekt der praktischen Umsetzbarkeit. Ich persönlich habe sie beispielsweise auch gewählt. Ansätze wie das MILF-Geld und die Bierpreisbremse setzen direkt bei den dringendsten Bedürfnissen der Menschen an und hätten es sogar beinahe als Gastbeiträge in die Koalitionsvereinbarung geschafft. Darüber hinaus soll ein Kompromisskanzler vor Allem die Aufgaben eines Mediators zwischen den Regierungsparteien übernehmen. Herr Somuncu wäre hierfür als Mann der leisen Töne mit seiner stets konsensual ausgerichteten Geisteshaltung bestens geeignet. Am wichtigsten ist allerdings, dass wir der großen Koalition für die Zukunft eine simple und verständliche Grundausrichtung geben, zu der sich nicht nur wir Politiker, sondern auch sämtliche Bürgerinnen und Bürger mit gutem Gewissen bekennen können. Hierzu möchte ich aus Somuncus Rede auf einer Wahlkampfveranstaltung in Berlin-Kreuzberg zitieren: „Deutschland gehört den nackten Frauen!“ Wenn wir uns bei all unseren Entscheidungen diesem Grundgedanken unterordnen und das Volk uns hierbei unterstützt, sollten wir auch in der kommenden Legislaturperiode trotz aller Unterschiede und Uneinigkeiten vertrauensvoll zusammenarbeiten und erfolgreiche Politik machen können.“
Mit ihren Forderungen legt die SPD ein ungeahntes neues Selbstbewusstsein an den Tag, nachdem sie zuvor in den Umfragen auf bis zu 17 Prozent abgestürzt war. Doch seitdem publik wurde, dass Andrea Nahles in Kürze den SPD-Parteivorsitz übernehmen wird, sehen sich die Sozialdemokraten fundamental im Aufwind. Es wird erwartet, dass die Umfragewerte spätestens nach Nahles‘ tatsächlicher Amtsübernahme sprunghaft in die Höhe steigen und sich bis zur Jahresmitte deutlich über der 50 Prozent-Marke einpendeln werden. Auch hierzu äußerte sich Scholz:
„Jedem vernünftigen Unionsmitglied muss klar sein, dass bei Neuwahlen mit der Andi als Spitzenkandidatin alles auf eine absolute Mehrheit der SPD hinauslaufen würde. Daher ist unser Angebot eines neutralen Drittkanzlers mehr als großzügig. Nach einer wie der Andi hat die deutsche Bevölkerung schon seit Jahrzehnten gelechzt. Sie vereint alle positiven Eigenschaften in sich, die es gibt! Schauen Sie doch einfach, wie die Menschen vor Freude ausgerastet sind, als bekannt wurde, dass die Andi hier bei uns bald die neue Chefin wird. Das war wie ein Befreiungsschlag für die gesamte Nation.“
Tatsächlich versammelten sich nach der Verkündung der Personalentscheidung in vielen deutschen Städten tausende Menschen zu spontanen Festivitäten und Freudentänzen. Die enthusiastischen „Andi hui, Angie pfui“-Sprechchöre drangen gefühlt in jedes deutsche Wohnzimmer, selbst in traditionellen Hochburgen der Union. Für den Tag der Amtseinführung warnt die Polizei bereits jetzt vor massiven Verkehrsbehinderungen in den deutschen Metropolen aufgrund von weiteren und diesmal noch umfangreicheren „Happy-Andi-Happenings“.
Die Union präsentiert sich ihrerseits aktuell durchaus eingeschüchtert von diesen Entwicklungen. So wurde auf dem vergangenen Parteitag fast schon panisch eine eigene Sympathiebombe gezündet und Annegret Kramp-Karrenbauer, die legere und pfiffige Frau des Volkes, zur neuen Generalsekretärin ernannt. Hierdurch sollte dem Nahles-Hype unmittelbar etwas entgegengesetzt werden. Die erhofften großen Ovationen erhielt „Gretel“ auf den Straßen jedoch bislang nicht. Daher darf man gespannt sein, wie viel zusätzliche Kompromissbereitschaft CDU und CSU nun aus Furcht vor potentiellen Neuwahlen zeigen werden.
Ob Serdar Somuncu selbst bereits in die Pläne der SPD eingeweiht wurde und hierfür seinerseits eine grundsätzliche Bereitschaft signalisiert hat, wurde am heutigen Tag im Übrigen noch nicht bekannt.
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Bild oben: Kancler_Raute von Fabian Horst (Own work) [CC BY-SA 4.0 (httpscreativecommons.orglicensesby-sa4.0)], via Wikimedia Commons, geändert.
Seitenbild: „Andrea Nahles, SPD“ von Thomas Rodenbücher (https://www.flickr.com/photos/xtranews/4520092805) [CC BY 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/)]